Diagnose Schizophrenie - Buchempfehlung

„Morgen bin ich ein Löwe – Wie ich die Schizophrenie besiegte“

von

Arnhild Lauveng

erschienen im btb Verlag, 5. Auflage, 2005

Ein wichtiger Teil der Psychotherapie bei der Diagnose Schizophrenie besteht darin, den PatientInnen Raum zu geben, die jeweiligen Symptome zu verstehen und zu reifen. Bilder und Gefühle können dadurch Worte finden und bleiben nicht mehr länger unhandliche Bilder. Vgl. Arnhild Lauveng, Morgen bin ich ein Löwe – Wie ich die Schizophrenie besiegte, 2005, btb Verlag, 5. Auflage, S. 202f

 

In meiner psychotherapeutischen Praxis betreue ich unter anderem KlientInnen mit der Diagnose Schizophrenie (ICD 10 -  F 20-F29). 

Für die betroffenen Menschen ist die Erkrankung mit einem extremen Leidensdruck verbunden: Halluzinationen, das Hören von kommentierenden und dialogischen Stimmen, Wahngedanken, Antriebslosigkeit, Sprachverarmung aber auch Angst und Aggressionen spielen eine Rolle. Weltweit ist etwa 1 Prozent aller Menschen betroffen.

Fern von starrer Diagnostik stellt Arnhild Lauveng, als von der Krankheit selbst betroffene Patientin, die Thematik in dem Roman „Morgen bin ich ein Löwe – Wie ich die Schizophrenie besiegte“ vor.

Ein beeindruckender Erfahrungsbericht und ein Buch voller Offenheit, das vor allem für Angehörige von Schizophreniepatienten sehr hilfreich ist, um ein liebevolles Verständnis für die Betroffenen zu entwickeln.

Gleichzeitig stellt das Buch zentrale Themen für die Praxis der Psychotherapie bei Menschen mit Schizophrenie vor. Ich bin der Autorin sehr dankbar für die Offenheit und die perfekte Beschreibung der Themen, die hinter der jeweiligen Symptomatik der Schizophrenie stecken. Sie decken sich weitgehend mit meiner Sichtweise und der stets auf Respekt und Wertschätzung beruhenden Arbeitsweise mit meinen Patienten in meiner Praxis.

 

Hier einige Passagen aus dem Buch:

„Symptome sind eine Arte Sprache, die manchmal eine Antwort auf die geraubte Sprache geben kann. Es ist unverantwortlich und höchst ineffektiv, ein Symptom zu behandeln, ohne sich zu fragen, wofür dieses Symptom steht. Man darf nie vergessen, dass ein Teil der Symptome manchmal damit zusammenhängen kann, dass dem Patienten alle anderen Möglichkeiten genommen sind, seine Bedürfnisse auszudrücken, und er deshalb seine einzig verbliebene Möglichkeit dazu nutzt.“ S. 79.

Arnhild Lauveng nahm in ihrer Krankheit vor allem sehr bedrohliche Stimmen von einer (nicht realen) Person, die sie in ihrem Buch als „den Kapitän“ bezeichnet, wahr:

„Wenn ein Mensch ein Übermaß an Gefühlen, Sinneseindrücken und Wissen in sich trägt, zu viel für eine Person und eine Persönlichkeit, bietet es sich an, Teile davon auf etwas anderes, etwas außerhalb der Person selbst zu übertragen. (…) Ich habe meine Selbstverachtung, meine Strenge und meine unangemessen hohen Anspräche an mich selbst auf den Kapitän übertragen, der die Befehle lauthals herausgeschrien und damit mehr als deutlich gemacht hat, wie streng und unangemessen diese Ansprüche waren. Das Problem ist nur, dass die Botschaft in der Verpackung stecken blieb. Ich sah bloß die Befehle, die ich nach besten, höchst verwirrten Kräften zu erfüllen versuchte. Und der medizinische Apparat sah die Krankheit.“

Immer wieder tauchen auch für die Logotherapie und Existenzanalyse bedeutende Szenen im Buch auf:

„Die wichtigsten Fragestellungen des Lebens lauten doch: Wer bin ich, was will ich, was und wer ist wichtig für mich? Welche grundsätzlichen Lebensregeln habe ich, und welche davon will ich behalten? Was mag ich, und was mag ich nicht? Was erhoffe ich mir vom Leben? Und auf solche Fragen vermag eine ICD-10-Diagnose keine Antwort zu geben. Deshalb scherte sich der Kapitän auch so wenig um die Diagnose. Er brüllte weiter, bis ich schließlich Hilfe bekam, um zu erkennen, was er repräsentierte. Um an meinen Ansprüchen und Ängsten zu arbeiten, meinen Lebensfragen nachzugehen und einen Weg zu finden, sie zu beantworten. Als ich lernte zu erkennen, woher meine Ansprüche rührten und wovor ich Angst hatte, und man mir half zu überdenken, welche die richtigen, wichtigen und vernünftigen Ansprüche an mich selbst und an andere waren, beruhigte sich der Kapitän. Er war nur ein Anzeiger, eine Warnlampe, und als der grundlegende Fehler in meinem Lebensmotor repariert war, erlosch diese Lampe beinahe von selbst.“ S. 48 ff

Arnhild Lauveng versöhnte sich mit ihrer Erkrankung und lebt nunmehr ohne Symptome. Dies war jedoch nicht immer so, da sie über mehrere Rückfälle berichtete, welche sie jedoch letztendlich als Chance betrachtete.

„Es war ganz logisch, dass es so nicht klappen konnte, und da ich noch immer mehr Bilder als Worte im Kopf hatte und nur sehr wenige Lösungsstrategien, kam die Psychose zurück und rettete mich aus einem Dasein, das mich sonst zerstört hätte. Natürlich war das keine gute Lösung, aber es war die Lösung, die zur Verfügung stand.“ S. 202

 

Morgen bin ich ein Löwe: Wie ich die Schizophrenie besiegte